Donnerstag, 29. November 2012

ekel-opa

nachdem ich mich im letzten text selbst beweihräuchert habe, zeige ich mich nun mal von meiner fiesen seite: Ich hasse meine nachbarn, also die beiden die links und rechts von mir wohnen. Hassen ist wahrscheinlich übertrieben, aber sie gehen mir tierisch auf den sack. Der eine ist ein enddreißiger, der aussieht wie ein kinderschänder; also glatze mit haarkranz drumrum, dicken brillengläsern, übergewicht und doppelkinn. Seine klamotten sehen aus als würde mutti ihren liebling immer noch einkleiden. Er muss ähnlich wie ich unter sozialen ängsten leiden, nur ist es bei ihm stärker ausgeprägt als bei mir. Es fällt ihm unheimlich schwer zu grüßen, öffnet er seine wohnungstür und hört schritte im flur, schließt er die tür schnell wieder oder er bleibt so lange in seinem nissan micra sitzen bis der zu grüßende außer sichtweite ist. Aus seiner wohnung strömt stets ein leichter bis mittelstarker geruch nach ungewaschenen klamotten, fettigem essen und nassem hund. Da er wohl auch nicht arbeitet und außer den telefonaten mit seiner mutter keinen sozialen kontakt hat, ist er eigentlich einfach nur ein armer typ, über den ich mich nicht lustig machen sollte. Er geht mir eigentlich auch nur deshalb so auf die nerven, weil er sehr laut mit seiner mutter telefoniert, diese dann irgendwann dabei anschreit und ich aufgrund der dünnen wände, für die er nichts kann, fast jedes wort verstehe. Das nervt. Außerdem nießt er derartig laut, dass ich nachts davon schon wachgeworden bin. Ferner stört mich die vorstellung, dass er, zumindest mit einem ohr an der wand, auch meine telefongespräche belauschen kann. Und da ich viel und oft mit meiner freundin telefoniere (fernbeziehung) und wir bei den langen gesprächen auch viel unsinn reden, möchte ich nicht, dass irgendjemand mithört. Aber auch dafür kann er nichts. Es bleibt also festzuhalten: er geht mir auf die nerven, ohne dass ich ihm konkret etwas vorzuwerfen weiß. Somit sei ihm hiermit verziehen.
Mein anderer nachbar ist wohl mitte bis ende sechzig und auch ziemlich einsam. Aus seiner wohnung strömt ein starker bis sehr starker geruch nach ungewaschenem mann, biomüll und brünstigem wildschweineber. Also so ungefähr. Meine freundin und ich halten meistens die luft an, wenn wir an seiner wohnungstür vorüber gehen. Als ich in meine wohnung einzog, hat er mich freundlich begrüßt und im ersten jahr haben wir uns immer recht nett 5 bis 15 minuten im hausflur unterhalten, wenn wir uns zufällig begegnet sind. Zwar hat mich selten interessiert, was er zu erzählen hatte (vielleicht war es umgekehrt ja genauso), aber ich hielt es für eine gute tat, mich mit ihm zu unterhalten, da er ja ansonsten völlig allein ist. Er fragte manchmal nach meinem studium und ich sagte, dass ich es damit nicht so eilig habe, es aber ansonsten prima laufe. Mir schien es zu kompliziert, ihm zu erklären, dass ich bereits ein studium abgeschlossen und nun ein zweites aufgenommen habe. Doch irgendwann ist mir dann rausgerutscht – vielleicht auch weil er nach anderthalb (was ist das eigentlich für ein wort für eineinhalb?) jahren ständig fragte, wann ich denn nun mit dem studium fertig werde. Und so beging ich den fehler, zu erzählen, dass ich mein jurastudium bereits abgeschlossen habe, aber als jurist nicht arbeiten wolle und deshalb jetzt noch etwas anderes studiere. Das konnte er nicht verstehen. Ich solle mich als anwalt selbständig machen, riet er. Seine Begründung: Ohne moos nichts los. Geld bestimme die welt. Der rubbel müsse rollen. Was solle den dieses rumgeeiere? Der schornstein müsse rauchen. Man könne nicht immer nur rumstudieren und träumen. Ich sei doch schon ziemlich alt und müsse auch mal arbeiten usw. und so fort. Ich bin damals zu beginn noch ruhig geblieben und habe ihm versucht zu erklären, dass mir geld nicht so wichtig sei und es dinge gäbe, die ich um ihrer selbst willen gern täte und mit diesen dingen auch gern beruflich zu tun haben würde, aber all das ließ er nicht gelten. Fortan nutzte er unsere kleinen gespräche zwischen treppe und wohnungstür, um mir seine sicht der welt näher zu erläutern. Vielleicht hielt er mich für ein verlorenes schaf, das er für die kapitalmärkte dieser welt retten müsse. Und ich wurde nach und nach darüber immer ärgerlicher. Du ungepflegter dreckssack, dachte ich dann manchmal, ich will dir einen gefallen tun, damit du mal jemanden zum reden hast und dann schwingst du große reden über das große geld und den lauf der dinge und der welt, dabei hockst du mit mitte/ende sechzig in einer sozialhilfeempfänger-wohung, aus der es im sommer manchmal so stinkt, dass man denkt, du hättest es schon hinter dir, und bist völlig allein. Ohne geld, ohne freunde und ohne gespür für zwischenmenschliche beziehungen. Natürlich traf er mit seinen reden bei mir einen wunden punkt, da ich ähnliche gespräche übers geldverdienen, zweitstudium und brotloser kunst schon mit meinen eltern zur genüge geführt habe. Er meinte es bestimmt auch nicht böse und ich sollte nicht so streng mit ihm sein. Trotzdem habe ich seit einiger zeit schon keine lust mehr, mich mit ihm zu unterhalten. Ich grüße zwar noch, sehe aber danach zu, dass ich von ihm weg komme. Als ich neulich versuchte, meine im suff eingetretene wohungstür zu reparieren (ich hatte den schlüssel verloren), öffnete sich seine wohnungstür und er fragte, ob er mir helfen könne. Ich antwortete genervt, mir sei nicht zu helfen und schraubte weiter an der tür rum, ohne ihn weiter zu beachten. Ich kann wohl auch ein ganz schöner arsch sein. Meinen nachbarn nenne ich auch nur noch mehr oder weniger liebevoll: ekel-opa.

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