Mittwoch, 17. Oktober 2012

familienfeier oder blamage vor den schwiegereltern

ich habe zu den eltern meiner freundin eigentlich ein gutes verhältnis. Sie mögen mich, ich mag sie. Sie können allerdings ebensowenig wie meine eltern verstehen, warum ich nicht richtig arbeite, sondern lieber bücher lese und kleine geschichten schreibe. Aber das soll hier nicht weiter thematisiert werden. Es soll um die letzte Geburtstagsfeier meiner potentiellen schwiegermutter gehen. Alles fing, wie üblich, ganz harmlos an. Meine freundin und ich waren bereits einen tag früher angereist, hatten den vormittag irgendwie vertrödelt und warteten am nachmittag nun auf den rest der festgäste. Ich hatte mir diesmal vorgenommen, endlich auch mal etwas alkoholisches zu trinken. Bisher war ich bei den gegnerischen familienfeiern immer nüchtern geblieben, um die übersicht zu behalten und nicht zu viel unsinn zu reden. Ich vertrete nämlich nüchtern manchmal schon gewagte thesen und muss mich auch sonst zügeln, um den klugscheißer nicht zu sehr rauszulassen. Auch in ihrer familie gibt es ein gewisses statusdenken. Man hat respekt vor akademikern, weil die wohl mehr wissen als nicht-studierte, und geradezu ehrfurcht vor medizinern und juristen. Naja. Wie bereits erwähnt hatte ich mir vorgenommen, diesmal nicht nüchtern zu bleiben und so trank ich bereits um 16 uhr mit dem jüngsten bruder meiner freundin das erste bier. Dabei sahen wir in den fernseher. Ihr bruder ist ein netter kleiner angeber und aufschneider, der die freundinnen auch mit ende zwanzig noch so oft wechselt, wie ich es zu single-zeiten gerne hinbekommen hätte. Die zeit, ich und ihr bruder dösten also so vor uns hin, tranken bier und sahen fern. So gegen halb sechs trudelten nach und nach die nächsten verwandten ein. die vier bier hatten mir bereits ein dümmliches grinsen ins gesicht gezaubert und ich war froh, als um 18 uhr das buffet eröffnet wurde. Wir kinder saßen am kindertisch, so dass zunächst keine weiteren gefahren drohten. Der jüngste bruder der mutter, onkel r, auch an den kindertisch verbannt, war ausnahmsweise gut drauf und hatte nicht zu tief ins medikamentenschränkchen gegriffen, so dass eine normale unterhaltung noch möglich war. Dieser wohl ewige single mit wohnsitz bei mama (also der großmutter) ist durchaus sympathisch, da er ähnliche politische ansichten vertritt wie ich (bspw. Soziale gerechtigkeit, vermögenssteuer usw.). gleich und gleich gesellt sich eben gern. Leider ist er etwas überängstlich und erzählte, dass er gerade erst seinen internetanschluss gekündigt habe, da er die horrormeldungen aus dem netz nicht mehr ertrage. Was soll man dazu sagen?
Durch das viele Essen verschwand bei mir dann kurzzeitig das angetrunkene gefühl des angetrunkenseins und so ging ich in den keller, um neues bier zu holen. Die gespräche dümpelten weiter so vor sich hin und nach und nach wurden die esstische verlassen, um sich auf sessel und sofas zu flegeln. Zum essen hatte es für die älteren herrschaften einen schweren rotwein gegeben und die truppe der zukünftigen gehhilfe-abhängigen taute langsam auf. Der eine oder andere traute sich gar schon den einen oder anderen kleinen witz. Den angebotenen Ramazzotti nahm ich natürlich dankend an und danach gleich noch einen, weil der erste so lecker geschmeckt hatte.
Eine der tanten gab wie immer vor meiner freundin mit ihren kindern an: beruflich laufe es bei allen so toll. Ferner sei die raumaufteilung im neubau ihres ältesten genial. Das wort genial wiederholte sie ungefahr zehn mal. Sie ist einer dieser menschen, bei denen immer alles super, ganz toll oder eben genial ist. Über die essstörungen, drogenprobleme oder abgebrochene ausbildungen ihrer blagen verliert sie kein wort. Hätte mich aber mehr interessiert.
Auf der terrasse männergespräche: natürlich ging es um die große politik: Griechenlandkrise, bankenkrise, staatsverschuldung. Über persönliche krisen reden männer ja nicht gern. Ich saß unbeteiligt wirkend daneben und hörte zu. Mich lässt das alles ziemlich kalt: ich zahle kaum steuern und sehe meinen wohlstand kaum als gefährdet an. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht mitreden. Ich gucke kaum fernsehen, nicht mal die tagesschau, und lese keine tageszeitung. Bin also hinsichtlich der besprochenen themen wirklich uninformiert. Schließlich waren zwei der onkel unterschiedlicher meinung und nun sollte ich als akademiker, ja als jurist, abschließend über den streit urteilen und somit einem recht geben. Alle guckten mich erwartungsvoll an und ich stammelte irgendwas von: „das kann man so oder so sehen …. selbst finanzexperten sind sich da nicht einig usw. und so fort.“ ich redete weiter solchen unsinn und mich um kopf und kragen, wurde rot und fing an zu schwitzen. Ich meinte ein stirnrunzeln auf der stirn des vaters zu sehen, gefolgt oder einhergehend mit dem gedanken: ist dieser dünnbrettbohrer wohl der richtige für meine tochter? Souveränes auftreten trotz völliger ahnungslosigkeit sieht anders aus. So schlich ich zurück ins haus und schnappte mir das nächste bier. Eigentlich bräuchte ich jetzt was stärkeres, dachte ich. In der hausbar fand ich eine flasche gordons gin und mixte mir einen kräftigen gin-tonic. Mit dem glas in der hand kuschelte ich mich auf dem sofa an meine freundin und beschloss ab jetzt den mund zu halten. Nach dem zweiten gin-tonic hatte ich das aber wohl schon wieder vergessen und erzählte, nachdem jemand mit einem guten witz den anfang gemacht hat, einen schlechten witz nach dem anderen. es wurde höflich, also nur mäßig gelacht. Dies merkte ich leider noch. Also drehte ich, aus angst vor einer weiteren blamage, richtig auf, legte einen zahn zu, hängte mich mächtig rein: meine witze wurden zunehmend obszöner: ich redete von Italienern mit kurzen beinen und langen schwänzen, von rasierten blondinen und was weiß ich sonst noch schmutzigem. Trotzdem blieb der erfolg aus. Hatte ich mein publikum zur raserei und atemnot durch lachanfälle bringen wollen,erntete ich nur mildes lächeln oder müdes grinsen. Die amüsieren sich mehr über mich als über meine witze, dachte ich. Umgehend begann ich wieder mich zu schämen, hatte schweißperlen auf der stirn, konnte aber nicht aufhören; da noch ein funken hoffnung in mir glomm, mit dem nächsten guten witz die situation retten zu können. Schließlich legte mir meine freundin die hand auf den oberschenkel und sagte: „du gehst jetzt mal besser ins bett.“ ich nickte beschämt, wünschte allen eine gute nacht und schlich aus dem wohnzimmer. Betrunken wie ich war, fiel ich schnell in einen unruhigen schlaf. Als ich wieder wach wurde, fühlt sich meine boxershorts am hintern komisch an, irgendwie weich und maschig. Ich dachte nur: „oh mein gott“ - nein, stimmt nicht. Die zuletzt beschriebene szene stammt aus dem film „trainspotting“, in welchem sick boy nach einer durchzechten nacht in dieser lage bei den eltern der freundin aufwacht. So weit ist es bei mir nicht gegangen. Am nächsten morgen saßen wir zusammen beim frühstück und alles war wie sonst auch. Vielleicht dachten ihre eltern ja auch: schau an, der oft etwas steife juristenfreund unserer tochter taut also auch auf, wenn er einen sitzen hat.
Abschließend kann ich sagen, dass ihre eltern mich immer noch mögen; seit dieser familienfeier vielleicht sogar noch ein bißchen mehr.

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