Freitag, 23. November 2012

mir gehts wohl zu gut

Mir geht’s wohl zu gut, denke ich. Ich sitze in der küche und tue nichts. Und bei diesem nichtstun geht’s mir wohl zu gut. Es gibt keinen besonderen grund, warum es mir ausgerechnet heute zu gut geht. Dieses eher seltene gefühl des zu-gut-gehens beunruhigt mich ein wenig. Kann man wohl schwer was gegen machen. Gegen das eigene zu-gut-gehen, denke ich. Geht es einem schlecht, kann man etwas dagegen unternehmen, kommt mir in den sinn: spazieren gehen, grübeln, traurig sein; bei schmerzen kann man schmerzmittel nehmen oder sich ablenken; bei langeweile oder kummer drogen nehmen; bei einsamkeit freunde anrufen oder bei depressionen einfach im bett bleiben. All das kommt bei mir gerade nicht in frage: mir ist weder langweilig, noch fühle ich mich einsam oder traurig und schmerzen habe ich auch keine. Mir geht’s einfach zu gut, denke ich und weiß nicht weiter. Ich könnte natürlich meine hand zwischen tür und rahmen einklemmen. Oder mein alleinsein zur einsamkeit umdeuten. Aber das erscheint mir nicht sachgerecht. Weil ich nicht weiter weiß, zünde ich mir eine dicke billige zigarre an. Rauchen kann man eigentlich in jeder lebenslage, weiß selbst ich als gelegenheitsraucher. Eigentlich gibt es gar keinen grund, warum es mir gerade heute zu gut geht: der himmel ist grau, mein geld knapp, ich habe keine beschäftigung und die wohnung müsste mal wieder geputzt werden. Aber das berührt mich gerade nicht.
Der schwere zigarrenrauch benebelt mich ein wenig. Ich könnte ja etwas lesen, überlege ich. Etwas lustiges brauche ich jetzt aber nicht. Und für etwas trauriges fehlt mir im moment das gespür. Wen interessieren schon die krisen großer dichter, wenn es einem selbst einfach zu gut geht?
Die zigarre ist jetzt fast aufgeraucht. Habe wieder viel zu schnell oder zu oft gezogen. Mir wird langsam schlecht. Na also: ist das der ersehnte ausweg? Ich trinke ein glas leitungswasser. Das wasser ist ziemlich kalt. Danach schmerzt einer meiner zähne.
Ich mache mir einen kaffee. Zu heiß. Verdammt. Jetzt schmerzen zunge und zähne. Beim ausdrücken der zigarre verbrenne ich mir leicht die fingerspitzen.
Plötzlich meldet mein darm ein nicht aufschiebbares bedürfnis an: ich eile ins bad und entleere mich – wohl aufgrund des kaffees und der zigarre – schwallartig. Ich brauche unmengen toilettenpapier, um wieder sauber zu werden. Ein leichter ekel bleibt zurück. Ich gehe ins wohnzimmer und lege mich auf die couch. Jetzt habe ich herzrasen. Der kaffee war wohl etwas stark. Oder die zigarre.
Ich nehme mir ein buch und versuche zu lesen, kann mich aber aufgrund der inneren unruhe nicht konzentrieren. Ich fahre den laptop hoch und spiele einen ego-shooter. Ich bin ein soldat in irgendeinem krieg und mähe alles nieder, was mir vor die flinte kommt.
Eine halbe stunde später liege ich nun völlig wirr im kopf wieder auf dem sofa. Ich schließe die augen und das sofa scheint sich zu drehen. Ich öffne die augen und denke: gott sei dank, dieses gefühl des zu-gut-gehens ist endlich weg. Viel länger hätte ich das an diesem vormittag auch nicht mehr ausgehalten.

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