Freitag, 27. Dezember 2013

flucht aus der klinik

ich bin aus der klinik abgehauen. Wegen eines unaufgeräumten zimmers. Ok, ganz so einfach war es nicht. Aber grob vereinfacht könnte man das schon so sehen.

Knapp vier wochen war ich dort. In einer fachklinik für psychosomatik.

Von anfang an hat es nicht richtig geklappt. Aber schön der reihe nach:

Der erste schock nach meiner ankunft: ich bin in einem doppelzimmer untergebracht.
Ich versuchte sofort zu intervenieren, berief mich auf meine sozialen ängsten, auf die notwendigkeit eines rückzugsraumes usw., aber man stellte mich bloß vor die wahl: entweder doppelzimmer oder abreise mit erneuter wartezeit.
Ich hatte bereits über vier monate auf diesen klinikplatz gewartet, war jetzt mit sack und pack angereist, wollte endlich gegen meine depressionen angehen, aus meinem unsteten leben herauskommen und keinesfalls unverrichteter dinge wieder abreisen.
Also rein ins doppelzimmer. Und das, obwohl ich schon probleme habe, freunde in meine wohnung, meinen geschützten bereich, hereinzulassen.
Der zweite schock: mein mitbewohner, anfang zwanzig und mehr so hiphop, hatte weder seine aggressionen noch seine drogenprobleme im griff. Wo bin ich hier nur gelandet? Fragte ich mich.
Ok, positiv denken. Mal sehen, vielleicht renkt sich ja alles irgendwie ein. Das ganze als herausforderung, chance begreifen usw..
Die nächsten tage waren dann auch ganz passabel: ich gewöhnte mich an den tagesablauf: das frühe aufstehen, die regelmäßigen mahlzeiten, das zeitige zu bett gehen usw.. ich trieb sport, ging schwimmen und in den fitnessraum, versuchte mich mit den anderen patienten anzufreunden und war dann abends um 23 uhr so müde, dass ich schlafen konnte, obwohl mein mitbewohner seine dvds in zimmerlautstärke guckte und jede tür laut ins schloss fallen ließ, also ohne die klinge dabei herunterzudrücken. Rücksichtnahme war nicht so sein ding. Entweder war die sozialisation bei ihm noch nicht abgeschlossen oder, was ich wahrscheinlicher fand, hatte bei ihm noch gar nicht eingesetzt. Dafür sprach auch, dass er, wenn er mit seiner mutter telefonierte, die ganze zeit nur in den hörer brüllte und anweisungen erteilte, was sie ihm beim nächsten besuch mitzubringen habe.
Schließlich verließ ich schon das zimmer, wenn er zum telefonieren ansetzte, da mich seine telefonate in unruhe versetzten. Den mut, ihn auf sein fehlverhalten anzusprechen, hatte ich leider nicht mehr, nachdem ich erfahren hatte, dass er bereits mehrfach wegen körperverletzungen verurteilt worden ist. Auch dieses wissen trug nicht sonderlich zu einer entspannten atmosphäre auf geteilten 16 m² bei. Alles als chance sehen, sagte ich mir, begann aber bereits mit den zähnen zu knirschen.
Ein weiterer aufreger war dann die erste oberarztvisite, durchgeführt von der oberärztin, die mich bereits am ersten tag vor die wahl gestellt hatte: doppelzimmer oder heimreise.
Auch bei dieser Visite ging sie sehr einfühlsam vor: „von ihren sozialen ängsten merken wir hier nichts“. Ferner: „wie siehts hier eigentlich aus?“ (klamottenberg auf dem sessel, schreib- und nachttisch vollgestapelt mit büchern) „wenigstens zur oberarztvisite könnten sie mal aufräumen“
außerdem: „sie müssen sich mal entscheiden: entweder wird ihr antidepressivum hochgesetzt oder wir lassen es ganz weg.“ das war es dann im wesentlichen schon. Ach so, sie fragte noch, ob es mir nichts ausmache, dem staat auf der tasche zu liegen. Zum glück antwortete ich wenigstens auf diese frage trotzig mit: nein. Bei derartig feinfühligen oberärzten in einer psychosomatischen klinik sind wohl ernste zweifel an der kompetenz der ärzte sicherlich nicht abwegig.
Am nächsten tag zerwühlte mir erst die eine stionsärztin beim versuch einer blutentnahme die armbeuge, gab auf und an eine kollegin weiter, die nach mehreren versuch dann das minimum für die blutuntersuchung irgendwie herausholte. Ich war mittlerweile käsig weiß und kurz davor ohnmächtig zu werden. Dass dies auch anders geht, weiß ich durch regelmäßiges plasma- und blutspenden, bei welchen das kompetente personal jedesmal beim ersten versuch trifft. Vor dem behandlungszimmer saßen andere patienten fassungslos, den es mit der blutentnahme ähnlich ergangen war.
Die ärgernisse hörten leider nicht auf: meine einzeltherapeutin war vier jahre jünger als ich, gerade mit der ausbildung fertig und gefiel sich darin, mir ihr uni-wissen in den sitzungen zu präsentieren. Ansonsten war sie ganz nett.
Ferner landete ich – als einziger mann - in einer gruppentherapie mit lauter hausfrauen über vierzig, die aus meiner sicht andere probleme hatten als ich. Alles als chance sehen, sagte ich mir, nun aber schon mit großen zweifeln.
Vor lauter wut und trotz ließ ich den klamottenberg auf meinem zimmersessel weiter anwachsen, achtete aber darauf, den boden für die putzfrauen freizuhalten. Die reaktion folgte prompt: die leitende oberschwester, die es sich wohl zur aufgabe gemacht hat, den arbeitsalltag ohne jeglichen humor oder gar lächeln hinter sich zu bringen, erschien und verkündete voller inbrunst und stolz: „ich habe den putzfrauen mitgeteilt, dass sie in ihrem zimmer nicht mehr zu putzen brauchen. Das ist eine zumutung.“ mein mitbewohner guckte mich, nachdem sie den raum verlassen hatte, fragend an und sagte: „was haben die denn? Sind doch nur die klamotten auf dem sessel.“ auch wenn es mir fast lächerlich erscheint, so ausführlich darüber zu schreiben, war es genau so: auf meiner seite des zimmers stand weniger auf dem boden als auf der seite meines mitbewohners.
Am selben tag teilte mir dann meine einzeltherapeutin mit, dass mein leidensdruck und meine motivation zur mitarbeit beim klinikpersonal nicht ankomme. Ok, ich hätte häufiger heulen sollen. Das hatte ich vergessen. Außerdem sei mein klinikaufenthalt auf sechs wochen beschränkt; die krankenkasse bewillige nicht mehr. Auch das war ein schock, zumal die durchschnittliche behandlungsdauer in dieser klinik 8 bis 10 wochen beträg. Berücksichtigt man, dass meine letzten zwei wochen in die „saure-gurken-zeit“ zwischen weihnachten und neujahr fallen sollten, in welchen erfahrungsgemäß so gut wie nichts passiert, empfand ich das schon als starkes stück.
Außerdem hätte ich meiner therapeutin gerne gesagt, dass es doch nur von ihrer einschätzung und begründung des verlängerungsantrages abhängt, ob dieser von der krankenkasse bewilligt wird oder nicht. Dazu kam ich aber schon gar nicht mehr, da die 25 minuten des einzelgesprächs bereits wieder abgelaufen waren.
Gegen die aufkommende innere unruhe, die enttäuschung und die wut ließ ich mir dann die doppelte menge beruhigungstropfen geben, die mir wortlos ausgehändigt wurden.
Den rest des nachmittags wollte ich dann verschlafen, wurde aber von der schwester geweckt, da mich die oberärztin sprechen wollte.
Ich dachte, dass man mich nach meinem derzeitigen gemütszustand befragen wollte, zumal ich ja die doppelte menge beruhigungstropfen verlangt hatte, aber stattdessen empfing sie mich mit den worten: „ich hatte doch bezüglich der unordnung in ihrem zimmer eindeutige anweisungen gegeben.“
das war dann der punkt, an dem ich nicht mehr an mich halten konnte. Hatte ich bisher eine mögliche abreise nur in erwägung gezogen, wollte ich nun keinen tag länger mehr in dieser klinik bleiben. Auch diesmal gab es keinerlei einlenken oder entgegenkommen der gegenseite. „sie können jederzeit gehen“ wurde mir entgegengebracht. Und das tat ich dann auch.
Worüber ich mich freue, dass ich dieser dämlichen oberärztin noch ihre arroganz und selbstherrlichkeit unter die nase gerieben habe.
Solche ärzte, mit so wenig einfühlungsvermögen und bereitschaft zur rücksichtnahme und zusammenarbeit mit den patienten haben aus meiner sicht in einer fachklinik für psychosomatik nichts verloren.
Innerhalb einer stunde packte ich meine sachen und war aus der klinik verschwunden. Im gepäck meine mehr oder weniger unbehandelten depressionen, jede menge wut und die angst vor weiteren auseinandersetzungen mit der krankenkasse und dem arbeitsamt.

Bei der beschriebenen klinik handelt sich um eine katholische klinik in der nähe von osnabrück und ich kann jedem nur raten, diese zu meiden. Mir wurde dort leider nicht geholfen. Ganz im gegenteil.
Aus meiner sicht steht dort nicht das patientenwohl an oberster stelle, sondern die gewinnoptimierung des unternehmens.
Dafür spricht meiner meinung nach auch, dass während meines aufenthaltes ein junger arzt eingestellt wurde, der, obwohl der deutschen sprache nicht ausreichend mächtig, nach wenigen tagen einarbeitungszeit nicht nur als mediziner, sondern auch als psychotherapeut agierte. Ist es nach meinen erfahrungen schon oft schwer genug ohne sprachbarrieren mit dem psychotherapeuten auf einen gemeinsamen nenner zu kommen, ist mir völlig rätselhaft, wie eine verständigung bei erheblichen sprachproblemen seitens des psychotherapeuten funktionieren soll.

Natürlich ist das hier geschilderte nur meine sicht der dinge; die gegenseite kommt nicht zu wort und es mag ja auch patienten geben, die zufrieden mit ihrem dortigen aufenthalt sind und waren.

Ich bleibe aber dabei: ich kann andere leute nur davor warnen, sich dort stationär behandeln zu lassen. Es gibt genug gute kliniken.

Wer sich fragt, um welche klinik es sich denn genau handelt, dem kann ich nur sagen:
es gibt nicht viele katholisch-geführte fachkliniken für psychosomatik in der nähe von osnabrück.

fest der liebe - für die männer wohl nicht

Weihnachten. Das fest der liebe. Merk ich aber bisher noch nichts von. Keiner hat mich lieb oder will mit mir liebe machen. Ich sitze heiligabend mittags im zug auf dem weg zu meinen potentiellen schwiegereltern. Und freue mich schon auf das üppige, meinen cholesterinwert in die höhe treibende essen.
Zurück zum fest der liebe: meine mutter ist beleidigt, weil ich diesmal nicht bei meinen eltern zu hause feiern wollte. Nicht die tatsache, dass ich weihnachten bei meiner freundin verbringe, ärgert sie, sondern mein ausdrückliches bekenntnis: „dieses jahr feiere ich auf keinen fall im heimischen wohnzimmer.“ beide leiden wir jetzt unter den dadurch hervorgerufenen familiären verstimmungen. Mein vater wohl auch, weiß dies aber, wie immer, gut zu verbergen. Fest der liebe.
Auf dem weg zum bahnhof ging es noch liebloser zu, fällt mir ein.
An einer großen kreuzung torkelte ein anfang vierzigjähriger singend über die kreuzung bis er von einer beigefarbenen hauswand gestoppt wurde. Die hauswand war nicht bereit zu weichen und er, da er wohl nicht wusste, wie er anders weiterkommen sollte, beschimpfte erst die harmlos dreinblickende wand und, als das nicht half, übte er sich vor ihr im schattenboxen. Armer irrer, dachte ich. Da ich keine lust hatte, zwischen ihm und der hauswand zu vermitteln, verließ ich dieses traurige schauspiel.
Auf dem sich anschließenden kurzen stück durch die innenstadt blickte ich in gestresste bis panische gesichter; weihnachtsgeschenke in letzter minute, dachte ich. „Geschenke statt nächstenliebe“ hätte ich denken können.
Wieder an der hauptstraße entlanggehend wurde ich zeuge eines beinahe-unfalls. Ein roter mini-cooper fuhr aus einer parklücke ohne den von hinten kommenden schwarzen lupo zu beachten. Eine kollision wurde gerade noch verhindert, aber der lupo bremste anschließend den mini aus und der lupo-fahrer wollte den mini-fahrer wohl zur rechenschaft ziehen. Dieser aber dazu nicht bereit, entgegnete nur: „ach halt doch die schnauze“. Das nahm dem lupo-fahrer erst mal den wind aus den segeln. Als er sich wieder gefangen hatte, kam nur: „halt selber die schnauze“. Wie schlagfertig. Erinnerte mich ein bißchen an die tage im kindergarten: „wer´s sagt, ist es selber“. Fest der liebe, fest der liebe, summte ich im weitergehen vor mich hin.
In der nähe des osnabrücker bahnhofs gibt es eine sog. Frühkneipe, die morgens um sechs in der früh ihre türen öffnet und all die nachtschwärmer auffängt, die noch nicht ins bett wollen. Oder die frühaufsteher, die morgens schon ein paar bier brauchen, um fit zu werden. Im vorbeigehen sah ich, dass im innern dieses molochs gerade eine schlägerei tobte. Wie man es aus westernfilmen kennt ging die tür immer wieder auf und zu, wobei entweder ein körperlich erregter und zu gewalttätigkeiten offenbar bereiter hinausgestoßener versuchte wieder in den laden zu gelangen oder eine der vor der tür stehenden frauen hineineilte, um ihren freund davon abzuhalten, mit anderen betrunkenen an der theke herumzurangeln. Da es in dieser absteige ständig zu schlägereien kommt, reagieren die meisten vorbeigehenden passanten nur mit desinteresse und gehen achtlos weiter. So auch ich.
Hundert meter weiter lag ein damenfahrrad quer auf dem fußweg und ein ebenfalls sehr betrunkener, leicht verwahrloster typ versuchte sich an der hauswand hochzuziehen. Angewidert und ohne ihm meine hilfe anzubieten ging ich schnell vorbei. Fest der liebe.
Als sich dann noch einer weiterer männlicher jugendlicher vor mcDonalds sitzend zwischen seine beine erbrach, war für mich das maß voll. Fest der liebe?, fragte ich mich ein letztes mal kopfschüttelnd.
Offenbar haben insbesondere männer zwischen 20 und 50 probleme, mit den weihnachtlichen festtagen zurecht zu kommen. Da sollte sich meine freundin doch eigentlich schon freuen, dass ich geduscht und nüchtern mit mittelmäßig schlechter laune nach einer langweiligen zugfahrt in ihrem heimort eintraf.

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