Freitag, 3. Januar 2014

gefahren bei tupperware-partys

eine meiner freundinnen ist zu einer sog. Tupperware-party eingeladen und weiß nicht, ob sie an dieser teilnehmen soll. Sie bat mich also, um eine erste einschätzung unter besonderer berücksichtigung der im zusammenhang mit tupperware-partys möglicherweise auftretenden schwierigkeiten.
Selbstverständlich nahm ich mich dieser aufgabe an. Meine freundin hatte sich zum glück an den richtigen gewand: ich, mann von welt, cosmopolit, urbanaut, in der high-society ebenso bekannt und gefürchtet wie in der osnabrücker unterwelt, mit allen abwassern gewaschen, verfüge in diesem bereich über einschlägige erfahrungen, da ich selbst bereits einmal eine tupperware-party vor einigen jahren besucht habe.

Erst mal vorweg bzw. zur begriffserklärung: was ist eine „tupperware-party“? Da ich faul bin und keine lust habe, es umständlich selber zu erklären, kommt mal wieder wikipedia zum einsatz:
„Das Konzept sieht vor, persönliche Beziehungen und Freundschaften zu nutzen, um neue Kunden zu gewinnen. An einem Nebenerwerb interessierte Firmenfremde stellen ihre Wohnung für eine Verkaufsveranstaltung zur Verfügung, zu der sie Freunde und Bekannte einladen und bewirten. Die Gastgeber erhalten für ihre Mühen eine Entlohnung in Form von Gratis-Produkten, Preisnachlässen oder Bonuspunkten, auch die Gäste erhalten bei einer Bestellung meist ein Gratisprodukt. Bei diesen Veranstaltungen ist ein geschulter Verkäufer anwesend, der die Firmenprodukte vorführt und die Bestellungen der Kunden entgegennimmt. Die direkte Ansprache der Bekannten der Gastgeber in Verbindung mit fehlender Vergleichsmöglichkeit zu Konkurrenzprodukten ist ein wichtiger Faktor, um die vergleichsweise teuren Produkte absetzen zu können. Laut Firmenangaben fanden im Jahr 2006 weltweit 11,9 Millionen solcher Verkaufsveranstaltungen statt. Sie sind damit auch heute noch die wichtigste, wenn auch nicht die einzige Vertriebsform von Tupperware-Produkten.“

so weit, so mäßig interessant.

Als ich als gast zu einer tupperware-party eingeladen war, lief das ganze folgendermaßen ab: Die gastgeberin, nennen wir sie doch einfach uschi, präsentierte den gästen, 6 an der zahl, ihre üppige und mittlerweile fast vollständige tupperware-sammlung auf ihrem küchentisch. Dabei hob sie ihre lieblings-tupperware-produkte hervor und ließ uns vor neid erblassen, als sie uns mitteilte, dass sie das mega-super-endschliff-tiefenreinigende tupper-brotmesser statt für 120 € für sagenhafte 49 € bekommen habe. Während uns noch die münder offen standen, bemerkte irgendein vorlauter arsch, dass sein brotmesser bei ikea 3,99 € gekostet habe und auch brot schneiden könne.
Wie dem auch sei, im folgenden wurde dann mit den tupperware-artikeln gekocht, u.a. pesto-spätzle, die man, wie die gastgeberin mehrfach versicherte, nur mit diesen tupperware-produkten so toll hinbekäme. Als ich nach drei gläsern wein, welcher auch reichlich ausgeschenkt wurde, mit der tupper-käsereibe ein stück parmesan-käse zerrieb, hatte auch ich das gefühl, dass mir das zerreiben von käse noch nie so leicht von der hand gegangen ist. Irgendwann war dann der kochvorgang beendet und die meisten hatten das gefühl, noch nie so locker und einfach gekocht zu haben.
Bevor wir dann mit dem essen loslegen durften, gab es noch ein kleines geschenk für jeden: ich bekam das tupper-käsemesser, ein anderer den tupper-kaffeelöffel, ein dritter den tupper-kartoffelanstecher usw..
nach dem essen gab es dann noch im wohnzimmer ein glas sekt und für jeden noch eine kleine tupper-brotdose.
Alkoholbedingt hingen wir dann auf den sofas und hatten schwierigkeiten uns gerade zu halten. Es wurde viel gelacht und sinnloses zeug durcheinander gebrabbelt. Wir gäste hatten uns thematisch vom thema des abends schon fast entfernt als die gastgeberin uns allen einfach mal die bestellliste der tupperwaren-produkte in die hand drückte und darauf bereits mit textmarkter markiert hatte, mit welchen produkten wir heute abend gekocht hatten.
Plötzlich entstand eine peinliche stille. Wir gäste, überwiegend studenten, wollten bzw. konnten uns die preise der angegebenen produkte gar nicht leisten. Allerdings hatten wir kostenlos bzw. auf kosten der gastgeberin gegessen und getrunken, außerdem „geschenke“ erhalten. Und nun nichts zu bestellen, erschien zumindest mir unverschämt. Ich überflog schnell die liste, suchte ein möglichst günstiges produkt, das ich auch noch irgendwie gebrauchen konnte und bestellte eine runde tupperdose für frisches gemüse zum preis von 15,95 €. die anderen machten es ähnlich. Der ikea-messer-arsch bestellte natürlich nichts. Nach abschluss des bestellvorgangs und der sich daraus resultierenden enttäuschung der gastgeberin war dann die luft irgendwie raus. Relativ zeitnah verließen wir die wohnung und ließen eine gastgeberin mit einem berg von schmutzigem geschirr und tupperware-bonuspunkten zurück. Vielleicht bekommt sie ja damit die tupper-salatschleuder für die hälfte des preises. Die kann ich nur empfehlen, da sich mit dieser auch einzelne wäschestücke (stichwort handwäsche) gut schleudern lassen (ausprobiert in der küche meiner potentiellen schwiegermutter).

Ich habe meiner freundin also geraten, nicht zu dieser „party“ zu gehen. Stattdessen soll sie lieber mal eine „sex-toy-party“ besuchen.

Freitag, 27. Dezember 2013

flucht aus der klinik

ich bin aus der klinik abgehauen. Wegen eines unaufgeräumten zimmers. Ok, ganz so einfach war es nicht. Aber grob vereinfacht könnte man das schon so sehen.

Knapp vier wochen war ich dort. In einer fachklinik für psychosomatik.

Von anfang an hat es nicht richtig geklappt. Aber schön der reihe nach:

Der erste schock nach meiner ankunft: ich bin in einem doppelzimmer untergebracht.
Ich versuchte sofort zu intervenieren, berief mich auf meine sozialen ängsten, auf die notwendigkeit eines rückzugsraumes usw., aber man stellte mich bloß vor die wahl: entweder doppelzimmer oder abreise mit erneuter wartezeit.
Ich hatte bereits über vier monate auf diesen klinikplatz gewartet, war jetzt mit sack und pack angereist, wollte endlich gegen meine depressionen angehen, aus meinem unsteten leben herauskommen und keinesfalls unverrichteter dinge wieder abreisen.
Also rein ins doppelzimmer. Und das, obwohl ich schon probleme habe, freunde in meine wohnung, meinen geschützten bereich, hereinzulassen.
Der zweite schock: mein mitbewohner, anfang zwanzig und mehr so hiphop, hatte weder seine aggressionen noch seine drogenprobleme im griff. Wo bin ich hier nur gelandet? Fragte ich mich.
Ok, positiv denken. Mal sehen, vielleicht renkt sich ja alles irgendwie ein. Das ganze als herausforderung, chance begreifen usw..
Die nächsten tage waren dann auch ganz passabel: ich gewöhnte mich an den tagesablauf: das frühe aufstehen, die regelmäßigen mahlzeiten, das zeitige zu bett gehen usw.. ich trieb sport, ging schwimmen und in den fitnessraum, versuchte mich mit den anderen patienten anzufreunden und war dann abends um 23 uhr so müde, dass ich schlafen konnte, obwohl mein mitbewohner seine dvds in zimmerlautstärke guckte und jede tür laut ins schloss fallen ließ, also ohne die klinge dabei herunterzudrücken. Rücksichtnahme war nicht so sein ding. Entweder war die sozialisation bei ihm noch nicht abgeschlossen oder, was ich wahrscheinlicher fand, hatte bei ihm noch gar nicht eingesetzt. Dafür sprach auch, dass er, wenn er mit seiner mutter telefonierte, die ganze zeit nur in den hörer brüllte und anweisungen erteilte, was sie ihm beim nächsten besuch mitzubringen habe.
Schließlich verließ ich schon das zimmer, wenn er zum telefonieren ansetzte, da mich seine telefonate in unruhe versetzten. Den mut, ihn auf sein fehlverhalten anzusprechen, hatte ich leider nicht mehr, nachdem ich erfahren hatte, dass er bereits mehrfach wegen körperverletzungen verurteilt worden ist. Auch dieses wissen trug nicht sonderlich zu einer entspannten atmosphäre auf geteilten 16 m² bei. Alles als chance sehen, sagte ich mir, begann aber bereits mit den zähnen zu knirschen.
Ein weiterer aufreger war dann die erste oberarztvisite, durchgeführt von der oberärztin, die mich bereits am ersten tag vor die wahl gestellt hatte: doppelzimmer oder heimreise.
Auch bei dieser Visite ging sie sehr einfühlsam vor: „von ihren sozialen ängsten merken wir hier nichts“. Ferner: „wie siehts hier eigentlich aus?“ (klamottenberg auf dem sessel, schreib- und nachttisch vollgestapelt mit büchern) „wenigstens zur oberarztvisite könnten sie mal aufräumen“
außerdem: „sie müssen sich mal entscheiden: entweder wird ihr antidepressivum hochgesetzt oder wir lassen es ganz weg.“ das war es dann im wesentlichen schon. Ach so, sie fragte noch, ob es mir nichts ausmache, dem staat auf der tasche zu liegen. Zum glück antwortete ich wenigstens auf diese frage trotzig mit: nein. Bei derartig feinfühligen oberärzten in einer psychosomatischen klinik sind wohl ernste zweifel an der kompetenz der ärzte sicherlich nicht abwegig.
Am nächsten tag zerwühlte mir erst die eine stionsärztin beim versuch einer blutentnahme die armbeuge, gab auf und an eine kollegin weiter, die nach mehreren versuch dann das minimum für die blutuntersuchung irgendwie herausholte. Ich war mittlerweile käsig weiß und kurz davor ohnmächtig zu werden. Dass dies auch anders geht, weiß ich durch regelmäßiges plasma- und blutspenden, bei welchen das kompetente personal jedesmal beim ersten versuch trifft. Vor dem behandlungszimmer saßen andere patienten fassungslos, den es mit der blutentnahme ähnlich ergangen war.
Die ärgernisse hörten leider nicht auf: meine einzeltherapeutin war vier jahre jünger als ich, gerade mit der ausbildung fertig und gefiel sich darin, mir ihr uni-wissen in den sitzungen zu präsentieren. Ansonsten war sie ganz nett.
Ferner landete ich – als einziger mann - in einer gruppentherapie mit lauter hausfrauen über vierzig, die aus meiner sicht andere probleme hatten als ich. Alles als chance sehen, sagte ich mir, nun aber schon mit großen zweifeln.
Vor lauter wut und trotz ließ ich den klamottenberg auf meinem zimmersessel weiter anwachsen, achtete aber darauf, den boden für die putzfrauen freizuhalten. Die reaktion folgte prompt: die leitende oberschwester, die es sich wohl zur aufgabe gemacht hat, den arbeitsalltag ohne jeglichen humor oder gar lächeln hinter sich zu bringen, erschien und verkündete voller inbrunst und stolz: „ich habe den putzfrauen mitgeteilt, dass sie in ihrem zimmer nicht mehr zu putzen brauchen. Das ist eine zumutung.“ mein mitbewohner guckte mich, nachdem sie den raum verlassen hatte, fragend an und sagte: „was haben die denn? Sind doch nur die klamotten auf dem sessel.“ auch wenn es mir fast lächerlich erscheint, so ausführlich darüber zu schreiben, war es genau so: auf meiner seite des zimmers stand weniger auf dem boden als auf der seite meines mitbewohners.
Am selben tag teilte mir dann meine einzeltherapeutin mit, dass mein leidensdruck und meine motivation zur mitarbeit beim klinikpersonal nicht ankomme. Ok, ich hätte häufiger heulen sollen. Das hatte ich vergessen. Außerdem sei mein klinikaufenthalt auf sechs wochen beschränkt; die krankenkasse bewillige nicht mehr. Auch das war ein schock, zumal die durchschnittliche behandlungsdauer in dieser klinik 8 bis 10 wochen beträg. Berücksichtigt man, dass meine letzten zwei wochen in die „saure-gurken-zeit“ zwischen weihnachten und neujahr fallen sollten, in welchen erfahrungsgemäß so gut wie nichts passiert, empfand ich das schon als starkes stück.
Außerdem hätte ich meiner therapeutin gerne gesagt, dass es doch nur von ihrer einschätzung und begründung des verlängerungsantrages abhängt, ob dieser von der krankenkasse bewilligt wird oder nicht. Dazu kam ich aber schon gar nicht mehr, da die 25 minuten des einzelgesprächs bereits wieder abgelaufen waren.
Gegen die aufkommende innere unruhe, die enttäuschung und die wut ließ ich mir dann die doppelte menge beruhigungstropfen geben, die mir wortlos ausgehändigt wurden.
Den rest des nachmittags wollte ich dann verschlafen, wurde aber von der schwester geweckt, da mich die oberärztin sprechen wollte.
Ich dachte, dass man mich nach meinem derzeitigen gemütszustand befragen wollte, zumal ich ja die doppelte menge beruhigungstropfen verlangt hatte, aber stattdessen empfing sie mich mit den worten: „ich hatte doch bezüglich der unordnung in ihrem zimmer eindeutige anweisungen gegeben.“
das war dann der punkt, an dem ich nicht mehr an mich halten konnte. Hatte ich bisher eine mögliche abreise nur in erwägung gezogen, wollte ich nun keinen tag länger mehr in dieser klinik bleiben. Auch diesmal gab es keinerlei einlenken oder entgegenkommen der gegenseite. „sie können jederzeit gehen“ wurde mir entgegengebracht. Und das tat ich dann auch.
Worüber ich mich freue, dass ich dieser dämlichen oberärztin noch ihre arroganz und selbstherrlichkeit unter die nase gerieben habe.
Solche ärzte, mit so wenig einfühlungsvermögen und bereitschaft zur rücksichtnahme und zusammenarbeit mit den patienten haben aus meiner sicht in einer fachklinik für psychosomatik nichts verloren.
Innerhalb einer stunde packte ich meine sachen und war aus der klinik verschwunden. Im gepäck meine mehr oder weniger unbehandelten depressionen, jede menge wut und die angst vor weiteren auseinandersetzungen mit der krankenkasse und dem arbeitsamt.

Bei der beschriebenen klinik handelt sich um eine katholische klinik in der nähe von osnabrück und ich kann jedem nur raten, diese zu meiden. Mir wurde dort leider nicht geholfen. Ganz im gegenteil.
Aus meiner sicht steht dort nicht das patientenwohl an oberster stelle, sondern die gewinnoptimierung des unternehmens.
Dafür spricht meiner meinung nach auch, dass während meines aufenthaltes ein junger arzt eingestellt wurde, der, obwohl der deutschen sprache nicht ausreichend mächtig, nach wenigen tagen einarbeitungszeit nicht nur als mediziner, sondern auch als psychotherapeut agierte. Ist es nach meinen erfahrungen schon oft schwer genug ohne sprachbarrieren mit dem psychotherapeuten auf einen gemeinsamen nenner zu kommen, ist mir völlig rätselhaft, wie eine verständigung bei erheblichen sprachproblemen seitens des psychotherapeuten funktionieren soll.

Natürlich ist das hier geschilderte nur meine sicht der dinge; die gegenseite kommt nicht zu wort und es mag ja auch patienten geben, die zufrieden mit ihrem dortigen aufenthalt sind und waren.

Ich bleibe aber dabei: ich kann andere leute nur davor warnen, sich dort stationär behandeln zu lassen. Es gibt genug gute kliniken.

Wer sich fragt, um welche klinik es sich denn genau handelt, dem kann ich nur sagen:
es gibt nicht viele katholisch-geführte fachkliniken für psychosomatik in der nähe von osnabrück.

fest der liebe - für die männer wohl nicht

Weihnachten. Das fest der liebe. Merk ich aber bisher noch nichts von. Keiner hat mich lieb oder will mit mir liebe machen. Ich sitze heiligabend mittags im zug auf dem weg zu meinen potentiellen schwiegereltern. Und freue mich schon auf das üppige, meinen cholesterinwert in die höhe treibende essen.
Zurück zum fest der liebe: meine mutter ist beleidigt, weil ich diesmal nicht bei meinen eltern zu hause feiern wollte. Nicht die tatsache, dass ich weihnachten bei meiner freundin verbringe, ärgert sie, sondern mein ausdrückliches bekenntnis: „dieses jahr feiere ich auf keinen fall im heimischen wohnzimmer.“ beide leiden wir jetzt unter den dadurch hervorgerufenen familiären verstimmungen. Mein vater wohl auch, weiß dies aber, wie immer, gut zu verbergen. Fest der liebe.
Auf dem weg zum bahnhof ging es noch liebloser zu, fällt mir ein.
An einer großen kreuzung torkelte ein anfang vierzigjähriger singend über die kreuzung bis er von einer beigefarbenen hauswand gestoppt wurde. Die hauswand war nicht bereit zu weichen und er, da er wohl nicht wusste, wie er anders weiterkommen sollte, beschimpfte erst die harmlos dreinblickende wand und, als das nicht half, übte er sich vor ihr im schattenboxen. Armer irrer, dachte ich. Da ich keine lust hatte, zwischen ihm und der hauswand zu vermitteln, verließ ich dieses traurige schauspiel.
Auf dem sich anschließenden kurzen stück durch die innenstadt blickte ich in gestresste bis panische gesichter; weihnachtsgeschenke in letzter minute, dachte ich. „Geschenke statt nächstenliebe“ hätte ich denken können.
Wieder an der hauptstraße entlanggehend wurde ich zeuge eines beinahe-unfalls. Ein roter mini-cooper fuhr aus einer parklücke ohne den von hinten kommenden schwarzen lupo zu beachten. Eine kollision wurde gerade noch verhindert, aber der lupo bremste anschließend den mini aus und der lupo-fahrer wollte den mini-fahrer wohl zur rechenschaft ziehen. Dieser aber dazu nicht bereit, entgegnete nur: „ach halt doch die schnauze“. Das nahm dem lupo-fahrer erst mal den wind aus den segeln. Als er sich wieder gefangen hatte, kam nur: „halt selber die schnauze“. Wie schlagfertig. Erinnerte mich ein bißchen an die tage im kindergarten: „wer´s sagt, ist es selber“. Fest der liebe, fest der liebe, summte ich im weitergehen vor mich hin.
In der nähe des osnabrücker bahnhofs gibt es eine sog. Frühkneipe, die morgens um sechs in der früh ihre türen öffnet und all die nachtschwärmer auffängt, die noch nicht ins bett wollen. Oder die frühaufsteher, die morgens schon ein paar bier brauchen, um fit zu werden. Im vorbeigehen sah ich, dass im innern dieses molochs gerade eine schlägerei tobte. Wie man es aus westernfilmen kennt ging die tür immer wieder auf und zu, wobei entweder ein körperlich erregter und zu gewalttätigkeiten offenbar bereiter hinausgestoßener versuchte wieder in den laden zu gelangen oder eine der vor der tür stehenden frauen hineineilte, um ihren freund davon abzuhalten, mit anderen betrunkenen an der theke herumzurangeln. Da es in dieser absteige ständig zu schlägereien kommt, reagieren die meisten vorbeigehenden passanten nur mit desinteresse und gehen achtlos weiter. So auch ich.
Hundert meter weiter lag ein damenfahrrad quer auf dem fußweg und ein ebenfalls sehr betrunkener, leicht verwahrloster typ versuchte sich an der hauswand hochzuziehen. Angewidert und ohne ihm meine hilfe anzubieten ging ich schnell vorbei. Fest der liebe.
Als sich dann noch einer weiterer männlicher jugendlicher vor mcDonalds sitzend zwischen seine beine erbrach, war für mich das maß voll. Fest der liebe?, fragte ich mich ein letztes mal kopfschüttelnd.
Offenbar haben insbesondere männer zwischen 20 und 50 probleme, mit den weihnachtlichen festtagen zurecht zu kommen. Da sollte sich meine freundin doch eigentlich schon freuen, dass ich geduscht und nüchtern mit mittelmäßig schlechter laune nach einer langweiligen zugfahrt in ihrem heimort eintraf.

Dienstag, 12. November 2013

Desinteresse, langeweile, youporn.com und anderes

ich gehe durch die osnabrücker innenstadt und langweile mich. Ich habe keine lust zu shoppen, aber auch keine lust über mein konsumverhalten nachzudenken. Ein schaufenster präsentiert mir seine weihnachts-deko. Das lässt mich völlig kalt.
In sechs wochen feiern wir den „heiligen Abend“, der seine Heiligkeit irgendwie eingebüßt hat. Vereinzelt sind die geschäfte schon weihnachtlich geschmückt. und keinen interessiert´s. So wenig weihnachten war selten, denke ich.
Dabei fällen mir die noch nicht weit zurückliegenden bundestagswahlen ein: einstimmiger tenor seitens der medien: so wenig wahlkampf und wahlinteresse war selten.
Es wurde ein bißchen bzw. ein bißchen mehr auf den herausforderer der spd – wie hieß der noch gleich? - eingeprügelt und dann wurde Mutti im amt bestätigt. War sonst noch was? Zumindest hat es kaum einen sonderlich interessiert. Medial gesättigt hat sich auch keiner groß über das scheitern dieser kleinen Businessclass-partei aufgeregt.
Die einen sind zufrieden – es geht uns doch gut, warum soll da die merkel nicht weitermachen? -, die anderen frustriert und ohne hoffnung, dass sich durch wahlen an ihrer situation noch etwas ändern wird. Sie verkriechen sich und versuchen, ihre Probleme selbst in den griff zu kriegen. Die probleme der nachbarn interessieren da nicht mehr; die, der gesellschaft noch weniger. Man hat ja schließlich selber genug probleme.
Ist das große desinteresse an allem und jedem heute unser problem? frage ich mich, während ich vor der tchibo-filiale sitzend in meinem kaffee rühre. Weihnachten, bundestagswahlen, wohl-und-wehe der nachbarn – alles interessiert nicht mehr.
Außerdem interessieren sich männer kaum noch für frauen, überlege ich mir weiter. Denn es gibt ja youporn.com. Viele frauen reagieren auf das desinteresse der männer, indem sie sich noch mehr rausputzen und noch nuttiger anziehen. Der ergebnis oder der erfolg ist gleich null, meine ich. Bin mir aber nicht sicher. Manche männer sind glatt eingeschüchtert aufgrund des durchgestylten äußeren mancher frauen; kommen sich selbst ungenügend vor und haben nicht den mut, diese semi-models in der freien wildbahn anzusprechen. Zum kennenleren gibt es jetzt die online-dating-börsen. Damit es vor lauter hemmungen überhaupt mal zur ersten kontaktaufnahme kommt. Frauen über dreißig lassen sich dann vor lauter not und mangels alternativen auf irgendein rindvieh ein, das sie noch vor jahren nicht mal mit dem arsch angeguckt hätten. In der stillen hoffnung, den mann noch in die eine oder andere richtung lenken, ja ihn formen zu können.
Warum wollen eigentlich alle singles über dreißig unbedingt einen partner? Gegen die langeweile?
Bei den meisten gelangweilten singles setzt sich doch innerhalb der beziehung die langeweile einfach nur fort; mit dem unterschied, dass sich jetzt zwei gleichzeitig und gegenseitig langweilen.
Manchmal stehe ich abends rauchend am fenster und beobachte die pärchen in den gegenüberliegenden wohnungen. Dort bedeutet gemeinsame beschäftigung: zu zweit fernsehen; ansonsten hockt der eine beziehungsteil vorm laptop, während der andere teil telefoniert oder allein fernsehen guckt. Die gemeinsamkeit besteht darin, dass man sich im gleichen raum befindet.
Wird einem partner dann die fortgesetzte langeweile trotz beziehung irgendwann bewusst, müssen gemeinsame kinder her. Ein letzter verzweifelter versuch. Die kinder halten die eltern in den ersten jahren erst mal ordentlich auf trab. Die langeweile weicht einer generellen gestresstheit. Statt selbstverwirklichung, sofern es zu dieser vorher überhaupt kam, steht jetzt pflichterfüllung auf dem programm. Sind die blagen dann erst aus dem haus setzt sich die langeweile fort wie zuvor. Jetzt aber endgültig, also ohne hoffnung auf einen ausweg. Was einem bleibt, ist das warten auf den tod und der hobbykeller.
Verwirrt stehe ich auf, blinzle in die sonnne, stelle die kaffeetasse weg und suche unter dem tisch nach dem roten faden. Kann ihn aber nicht finden. Während des drauflosschreibens muss mir dieser irgendwie verloren gegangen sein. Das interessiert mich jetzt aber auch nicht mehr.

Donnerstag, 7. November 2013

zu recht kinderfeindlich?

Ich sitze im zug. Neben mir, also nur einen meter entfernt, sitzt eine unterschichtsmutter mit hässlicher brille und blondgefärbter kurzhaarfrisur. Und ihr quengeliger sohn, ca. 9 jahre alt. Der sohn hat es noch nicht gelernt, sich ordentlich zu benehmen. Und wird es meines erachtens nach wohl auch nie lernen. Er schmatzt mit seinem kaugummi, tritt vor die sitze und kann trotz dauer-nutzung seines nintendo-DS seine klappe einfach nicht halten. Er brüllt, schreit oder kommentiert lautstark sein Gezocke. Die mutter lässt ihn gewähren und unternimmt nichts. Je länger das krakelen dieses kleinen scheißers dauert, um so gereizter werde ich. Gern würde ich beiden in ihre hässlichen fressen schlagen. Ihnen sauberkeit, ordnung und disziplin einhämmern. Nein, eher rücksichtnahme.
Der kleine scheißkerl hört nicht auf zu nerven. Und ich kann nicht lesen. Als er zur toilette muss und das auch dem ganzen zugabteil mitteilt, überlege ich, hinterher zu gehen und seinen kopf ins klobecken zu drücken. Dann betätigte ich die spülung so lange, bis der kleine pisser keinen mucks mehr von sich gibt. Ok, ein leises winseln ließe ich ihm durchgehen. Dieser gedanke heitert mich ein wenig auf.
Es heißt ja immer, dass deutschland ein kinderfeindliches land sei. Das erscheint mir aber angesichts solcher nervernsägen absolut gerechtfertigt.
Ohne erkennbaren grund ist das scheiß-blag auf einmal still. Als könnte er gedanken lesen. Das macht er bestimmt nur, um mich von dieser hetzerischen geschichte abzubringen, denke ich, während ich diese sätze voller wut in meinen notizblock kritzle.
Los, du kleiner scheißer, mach wieder krach wie vorher, sonst muss ich noch darüber nachdenken, ob diese geschichte gerechtfertigt ist. Auch diese nachricht kommt bei ihm – vielleicht per telepathie – an und er randaliert wieder los. Danke dafür.
Manchmal lese ich, dass heutzutage viel zu viele kinder mit medikamenten, bspw. Ritalin, ruhig gestellt werden. Ja? Warum ist dann dieser zappelphilipp nicht bis oben hin mit dem zeug abgefüllt?
Das zugabteil wird voller. Gegenüber der mutter mit nervensäge nehmen vater und sohn platz. Der sohn müsste auch so um die neun jahre alt sein. Der sohn trägt einen hannover-96-schal. Auch sonst sind sie eher bescheiden, fast ärmlich angezogen. Der sohn ist sehr blass. Er sagt kein wort. Und macht keinen krach. Ganz still sitzt er da. Ab und zu guckt er ängstlich, vielleicht neidisch auf die nintendo-DS seines altersgenossen. Sein vater hat etwas an sich, was mich sofort für ihn einnimmt. Große braune verletzliche augen. Von ihm geht eine bescheidenheit, schüchternheit und genügsamkeit aus, die mich rührt. Vielleicht auch eine tiefe verletztheit. Über seine meinerseits vermutete verletztheit und verletzlichkeit grüble ich weiter nach: In jungen jahren hat man ihn sicher ordentlich zurechtgestutzt. Ihm beigebracht, mit dem träumen aufzuhören und sich mit dem zu begnügen, was er kriegt. „Lieber den spatz in der hand als die taube auf dem dach“ und dieser ganze mist.
Ich beobachte den vater weiter. Jetzt meine ich auch eine gewisse vorfreude aufs fußballspiel und ein bißchen stolz in seinen augen zu sehen. Stolz, dass er mit seinem sohn etwas so tolles macht, wovon er als kind immer nur geträumt hat. Seine kurzen angegrauten braunen haare und sein grauer vollbart lassen ihn nicht etwa verwegen oder altersweise aussehen, sondern unterstreichen noch seine sensibilität, verletztheit und die erduldeten demütigungen. Kommt mir jedenfalls so vor. Immer nur zweiter oder letzter. So gut wie nie sieger oder erster, geht mir durch den kopf. Wahrscheinlich hat er irgendwann aufgehört zu kämpfen und alles duldsam hingenommen.
Aber man muss kämpfen, möchte ich ihn anbrüllen. Ohne kampf geht es nicht.
Bescheidenheit ist eine zier? Quatsch. Dieser ganze mist mit genügsamkeit und demut gehört doch nur zu den unterdrückungsmechanismen der christlichen kirche, die lieber folgsame schafe als freidenkende menschen im gottesdienst sitzen hat.
Jetzt spricht er zu seinem eingeschüchterten sohn. Er hat auch noch eine ganz leise, ja fast zarte stimme. Eine stimme, die beschwichtigen und nicht herausfordern soll.
Außerdem sind seine gesten und bewegungen ruhig und bedächtig. Bloß nicht auffallen, bloß nicht anecken, kommt mir in den sinn.
Man muss kämpfen, muss sich wehren, darf konflikten nicht aus dem weg gehen, sich nicht unterwerfen oder klein machen, denke ich weiter. Und meine damit nicht nur ihn, sondern auch mich.
Auch wenn ich vorher über die mutter mit sohn so geschimpft habe, gefällt mir der ihnen nun gegenübersitzende gegensatz auch nicht. Laut und rücksichtslos auf der einen und still und eingeschüchtert auf der anderen seite.
Frustriert und verunsichert sacke ich in mich zusammen, beiße, in der hoffnung auf trost, in mein belegtes brötchen und stelle meinen beschuhten fuss auf das gegenüberliegende sitzpolster. Sollte mich der kontrollierende zugbegleiter deswegen zurechtweisen, werde ich kämpfen. Zumindest nehme ich mir das vor.

Montag, 4. November 2013

fremde wohnung mit fuchs

ich sitze in einer fremden wohnung und warte. Der von mir mitgebrachte hund erkundet die fremde umgebung sehr genau. Tack, tack, tack machen seine pfoten auf dem laminat. in der küche interessiert ihn am meisten der halbvolle mülleimer. Das kann ich nicht gutheißen. Im schlafzimmer will er unters bett kriechen. Auch das kann ich ihm nicht erlauben. Wer weiß, was er unter dem bett hervorholt: verschmiertes sexspielzeug oder getragene damenunterwäsche. Ich ziehe ihn also ins wohnzimmer. Kalt ist es hier drin. Die wohnung ist schon länger verwaist. Der hund beschnuppert das bücherregal. Bücher sind nicht so seins. Dann entdeckt er den ausgestopften fuchs auf der fensterbank. Der ist ihm nicht ganz geheuer. Mir auch nicht. Wer hat denn unter sechzig einen ausgestopften fuchs in seiner wohnung? Vorsichtig nähert sich der hund dem bedrohlich dreinblickenden. Als er den ausgestopften mit der nase berührt, denkt der hund der fuchs hätte sich bewegt und macht einen satz nach hinten. Dann knurrt er das unbekannte wesen an. Schließlich bellt er.
Als er sich wieder beruhigt hat, gehe ich in die küche, um mir einen tee aufzubrühen. Kaffee gibt’s hier keinen. Leute gibt’s.
Mit dem tee setzt ich mich wieder ins wohnzimmer, an den großen geölten teakholztisch. Der hund versucht noch mal den fuchs zum spielen zu animieren. Vergeblich. Ich gucke aus dem fenster. Vor dem fenster graut der herbst. Die bäume vorm fenster tragen bunt. Ich warte. Nichts passiert. Gern würde ich jetzt rauchen. Es wäre sogar ein balkon vorhanden. Aber ich mag die schräg gegenüber wohnende nachbarin nicht. Die soll mich gar nicht erst sehen. sie hat einen kleinen west highland white terrier, besser bekannt aus der werbung als caesar-hund, der ständig kläfft. Auf dem fahrrad der nachbarin sitzt dieser im fahrradkorb und hat einen kinder(?)-, baby(?)-, mini(?)-fahrradhelm auf. Ja, richtig gelesen. Sie setzt dem hundebeifahrer einen fahrradhelm auf. Mehr braucht man über diese nachbarin ja wohl nicht zu sagen.
Mein ausgeliehener hund liegt jetzt unter dem tisch und versucht zu schlafen. Gerne täte ich es ihm gleich, aber der fußboden ist mir zu unbequem. Ein sofa gibt es im wohnzimmer nicht. Auf das sofa warte ich ja. Ich könnte mich ins bett legen, aber sich in ein fremdes bett zu legen ohne oder gegen den willen der inhaberin, gehört sich nicht.
Als ich diesem gedanken noch weiter nachgehen will, klingelt es an der tür. Der hund springt auf und bellt. Ich springe auf und schnaufe. Ich eile zur tür. Die sofa-lieferanten stehen davor. Schnell werden wir uns einig. Ich muss zum glück nicht mit anfassen. 15 minuten später steht das neue sofa ausgepackt im wohnzimmer. Es riecht ganz neu. Das sofa wurde wohl passend zur farbe der vorhänge gekauft. Oder umgekehrt. Die farbe hat irgendwas mit grün zu tun. Vielleicht mint-grün. Naja, wem´s gefällt. Natürlich werde ich die gewagte farbe der neuen, stolzen besitzerin gegenüber loben. Man will sich ja keine freunschaften verderben.
Ich musste die auslieferung quittieren und denke jetzt über den hohen kaufpreis nach. Davon kann, darf, muss ich zwei monate leben. Vielleicht sollte ich doch mal irgendwie richtig arbeiten. Der gedanke erscheint mir dann aber doch sehr abstrus.
Aus sozialneid puhle ich mir dann einen saftigen popel aus dem ergiebigeren nasenloch und knete diesen genüsslich in den neuen stoff. Farblich fällt dieser kaum auf. Zufrieden verlasse ich danach die wohnung und lasse den hund direkt vor den hauseingang pinkeln. Woher kommt bloß diese boshaftigkeit?

ein junges pärchen

Samstag abend. Ich sitze bei einem halbwegs jungen dynamischen pärchen in der küche.
Lampenschirm von ikea; stühle von yellow, herd von bosch.
es herrscht hektik. Schnell wird noch ein geschenk eingepackt bzw. hergerichtet, mit dem in einer halben stunde das geburtstagskind bereits beglückt werden soll. Es gibt einen fresskorb mit überteuerten italienischen produkten. Wenn einem nichts mehr einfällt, gibt es fresskörbe, denke ich. Gern bekäme ich diesen geschenkt. Zwei flaschen wein runden das ganze ab.
Er und ich unterhalten uns. Während sie das geschenk einpackt. Er fasst nicht mit an, sondern reagiert auf ihre hektik mit einer zur schau getragenen ruhe. Sie hat sich schon rausgeputzt; er sitzt im verwaschenen t-shirt und socken mit mir am küchentisch und trinkt weißwein. Nach langem hin und her haben wir uns entschieden, dass der angebrochene zwei wochen alte weißwein aus dem kühlschrank noch genießbar ist. Sicher sind wir uns nicht.
Ich sitze nur hier, weil ich mir von ihm geld leihen will bzw. muss. Um die letzten tage des monats heil zu überstehen. Ich versuche also mich kooperativ zu verhalten. Einerseits helfe ich so gut es im sitzen eben geht beim verpacken des geschenks, andererseits versuche ich interessiert wirkend mir seine beruflichen ärgernisse der letzten zeit anzuhören.
Etwas zu essen wird nicht angeboten. Und dass, wo ich doch mittags um halb eins das letzte mal etwas gegessen habe. Wie so viele besser verdienende pärchen haben sie gerade mal wieder eine gesunde woche oder so etwas eingelegt. Also kein weißes mehl, keinen zucker, keinen alkohol, kaum fleisch, wenig fett usw.; vielleicht ist es ja ganz gut, dass sie schon gegessen haben. „Gewaltfrei gezupfte schattengewächse im wirsingmantel“ wären bestimmt nicht so mein ding.
Alle 30 sekunden macht eins der auf dem küchentisch liegenden handys „bing“ oder „pieps“. Diese verdammte what´s-App. Einige leute glauben, dass sie mit ihrem langweiligen leben andere auch noch langweilen müssen.
Vielleicht mache ich mit meinen bloggeschichten ja das gleiche.
Nachdem er zum dritten mal von seiner freundin zur eile angetrieben wurde, verlässt er endlich den küchentisch richtung schlafzimmer, um sich umzuziehen. Jetzt rede ich mit ihr über ihre beruflichen ärgernisse der letzten zeit. Schließlich kommt er hergerichtet zurück und legt die von mir ersehnten scheine auf den tisch. Ich nehme das geld, stecke es schnell ein und verabschiede mich. Auf dem weg nach hause genieße ich den ruhigen milden herbstabend. Abhängigkeiten sind immer ein ärgernis, denke ich noch.

Mittwoch, 30. Oktober 2013

im zug mit fußballfans

Herbstlandschaft: bunte blätter, gepflügte äcker, grün-braune wiesen, wolkenverhangener grauer himmel. Das ist aus meiner sicht ebenso typisch für deutschland wie grölende fußballfans in hauptbahnhöfen. Ich sitze mal wieder im zug. Vor, hinter und neben mir sitzenden biertrinkende, uniformierte fußballbegeisterte. An manchen samstagen gehört ein großteil der regionalzüge ihnen. Mancher waggon wird dann gar vor lauter vorfreude oder nervosität glatt entglast, also die scheiben aus dem inneren des waggons während der fahrt kaputt geschlagen. Vielleicht wollen sie aber auch nur effektiver lüften. Es gibt wohl nichts auf der welt, dass so stinkt, wie ein vollbesetztes bahnabteil mit besoffenen, ungewaschenen und verschwitzten fußballfans. Ein großteil der schuld daran dürften die (teilweise noch nie gewaschenen) polyester-trikots haben. Wer kennt es nicht: mehrfach durchgeschwitzte kunstfaser hat einen beißenden geruch. Der fan selbst kann allerdings oft nichts dafür. Haben doch die unterschriften geliebter spieler ein waschen des trikots für alle zeit unmöglich gemacht.
Ich komme unbeabsichtigt mit meinem sitznachbarn ins gespräch: er, vielleicht mitte fünfzig, grauer schnäuzer und fleischbadekappe, trägt ein bochum-trikot, einen bochum-schal und eine aus der form geratene bochum-baseballcap. Ein weißer salzrand hat sich wohl über jahre an der schirmmütze nach und nach hochgearbeitet. Unterschriften sehe ich auf der mütze keine. Es gibt also eigentlich keine ausrede fürs gelegentliche waschen. Wir reden ein bißchen über seinen verein, also bochum, peter neururer und die mannschaft. D.h. er erklärt und klärt mich auf. Nach 15 minuten monolog seinerseits und unsicherem kopfnicken meinerseits fühle ich mich unter zugzwang und will nun auch etwas sagen. Im bereich fußball kenne ich mich aber nur wenig und beim vfl bochum fast gar nicht aus. Ich frage ihn, ob er frank goosen kenne. Er schüttelt den kopf, denkt nach, schüttelt wieder den kopf und fragt: „bochumer spieler?“ ich sage: „nein, schriftsteller“. Er guckt mich entgeistert an. Schnell schiebe ich nach: „der ist bochumer edel-fan und sitzt bei bochum im aufsichtsrat.“ Ich kann hören, wie es bei ihm im kopf zu arbeiten beginnt; um zeit zu gewinnen, nimmt er erst mal einen großen schluck dosenbier. „goosen, goosen, … frank?, goosen?“ schließlich liefert seine auf hochtouren laufende kopfmechanik ein ergebnis: „ja nee, es gibt da einen im aufsichtsrat, aber der heißt anders, so ähnlich. Muss ne verwechslung sein. `n Schriftsteller im bochumer aufsichtsrat. Das wär ja was.“ Ich bin mir relativ sicher, dass der schriftsteller frank goosen im bochumer aufsichtsrat sitzt; könnte dies auch mittels iphone und wikipedia problemlos überprüfen, komme zum glück aber wieder rechtzeitig zu sinnen und sage diplomatisch: „vielleicht hab ich da die beiden einfach verwechselt.“ Zufrieden lehnt er sich wieder zurück, nimmt einen schluck bier und seine gesichtszüge und gehirnwindungen entspannen sich wieder.
Was bin ich doch für ein feigling, denke ich. Ich hoffe, frank goosen, dessen bücher ich wirklich mag, nimmt es mir nicht übel, dass ich es unterlassen habe, gegenüber einem betrunkenen bochum-fan seine ehre, seine existenz, ja seine vereinszugehörigkeit zu verteidigen.
Ich beschließe, jetzt erst mal nichts mehr zu sagen. Mein gesprächspartner scheint auch das interesse an mir verloren zu haben und unterhält sich mit seinem nachbarn.
Boah, ist die luft hier drin stickig. Ich schaue mir durch das zugfenster den herbst an und döse langsam weg. Wenig später werde ich durch blitzlichter geweckt, also geradezu wachgeblitzt. Mein kopf ist auf die brust gesunken und aus meinem tieferliegenden mundwinkel reicht ein langer speichelfaden bis auf meinen pullover. Sehr dicht vor meinem kopf haben sich zwei bochum-fans postiert, links und rechts von mir, und grinsen mit erhobenem daumen und bierflasche in die kamera. Stolz zeigen sie mir danach die aufnahmen und klopfen mir auf die schulter. Ich denke an eine ähnliche geschichte von horst evers.
Das recht am eigenen bild scheint hier drin keine geltung zu haben. Ich bin schon wieder zu feige mich zu wehren. Schließlich kommen wir in hannover an und ich haste zum ausgang. Kurz vorm verlassen des zuges brülle ich noch: „der schriftsteller frank goosen ist bei euch stellvertretender aufsichtsratsvorsitzender. Da ist es ja kein wunder, dass sportlich der abstieg droht.“ Lautstarke unmutsbekundungen erheben sich hinter mir, aber da habe ich den zug schon verlassen.
Am bahnsteig begrüßt mich meine freundin mit einer umarmung und fragt sogleich: „Warum riechst du denn so streng?“

Freitag, 25. Oktober 2013

kater sex und altershomosexualität

Man sollte den tag nicht mit einer halb vollen, abgestandenen flasche bier vom vorabend beginnen, denke ich. Sollte man nicht. Warum tue ich es dann? Weil meine selbstversuche gezeigt haben, dass ein konterbier am besten gegen den kater am nächsten tag hilft. Besser als kopfschmerztabletten oder fettiges essen. Nichtsdestotrotz gibt es gleich eine billige tiefkühlpizza zum frühstück. Ich arbeite mit allen tricks gegen den kater an. Bewegung soll ja auch helfen, aber das strengt mich zu sehr an. Ob rauchen auch hilft, weiß ich nicht, tue es aber sicherheitshalber trotzdem.
Ich habe gestern zu viel getrunken, wie sich der leser vielleicht denken kann. Ich konnte aber nichts dafür. Wie man ja meistens nicht dafür kann. Schuld waren i.d.R. entweder die umstände oder die freunde. Ein alter sack hat mir gestern abend einen braunen sambuca nach dem anderen ausgegeben. War recht lecker. Der sambuca. Er nicht so. ich glaube aber, dass er einfach nur unterhaltung wollte. Und keinen sex. Kann man allerdings aufgrund der altershomosexualität nie genau wissen. Ich habe mal gehört, dass ein prozent der vorher heterosexuell ausgerichteten männer mit dem fünfzigsten lebensjahr auf einmal schwul werden. Also einfach so. ohne besondere gründe oder einschneidende erlebnisse. Keine ahnung, ob das stimmt. Ich werde es nicht recherchieren, sondern hoffe darauf, dass ich mit dem 50 lebensjahr vielleicht noch ganz andere sexuelle freuden erleben werde. Manchmal sage ich das auch bloß, um meine freundin zu ärgern. Sie droht dann mit frauen-selbstfindungsgruppen, bei denen im kreis sitzende, oft esoterisch angehauchte frauen gemeinsam, also jede bei sich, den g-punkt suchen. Ja, zweifelnde leserin, so etwas gibt es. Hab ich mal in einer arte-doku gesehen. Fand allerdings im land der unbegrenzten möglichkeiten statt (usa). Vielleicht ist die deutsche, sexuell unbefriedigte hausfrau noch nicht so weit, unten ohne, in einer frauengruppe nach ihrem g-punkt zu suchen.
ich sollte mal einen kurs für männer anbieten: „masturbation für fortgeschrittene“. Ich glaube kaum, dass sich da sonderlich viele heterogene männer anmeldeten. Oder den kurs: „heute entdecke ich meine prostata. Neuer lustgewinn durch den hintereingang“. Ob die VHS so einen kurs förderte? Ich denke nicht.
ok, ich schweife ab. Zurück zum gestrigen abend. Heute rächt sich also der sambuca.
Ich wechsle jetzt vom imperfekt ins präsens um die spannung zu erhöhen. Solche erklärungssätze sollte ich mir in zukunft wohl auch sparen.
Also, ich sitze allein an einem tisch. Das muster meines hemdes gleicht einer rosa-weißen tischdecke. Vielleicht ein ausgleich für die fehlende tischdecke auf dem kneipentisch. Der fernseher ist kleiner als meiner. Hier soll ich also das championsleague spiel dortmund – arsenal, welches leider nicht im öffentlich-rechtlichen fernsehen gezeigt wird, gucken? Naja, gleich ist anpfiff und ich kann die lokalität nicht mehr rechtzeitig wechseln.
Ich bestelle eine pizza-salami und ein becks. Der in der pizzeria seines vaters mithelfende sohn beglückt jeden becks-trinker im laden mit dem gleichen blöden spruch: „erst becks, dann sex“. Dabei grinst er dümmlich. Mit dir bestimmt nicht, du hässlicher kleiner zwerg, denke ich, altershomosexualität hin oder her. Als sich vater und sohn durch den laden schreiend unterhalten, stelle ich fest, dass dieser angebliche „italiener“ türkische inhaber hat. Mir egal, wer sich als was ausgibt. Ich habe schon döner bei griechen gegessen. Hauptsache das essen ist ordentlich. Nach dem dritten becks muss ich zur toilette. Kann diese aber, obwohl der laden sehr klein ist, nicht finden. Ich erinnere mich der deutschen gesetzgebung (sobald sitzplätze in imbissbuden vorhanden sind, muss es auch eine kundentoilette geben). Keine ahnung, wo das steht (vielleicht im gaststättengesetz). Ich frage den inhaber, der gerade dabei ist, hinter der theke irgendeinen nachtisch, sieht aus wie mousse au chocolat, aus einem wasserglas mittels suppenlöffel in sich reinzuschaufeln. Sein dicker geschwollener bauch zeugt davon, dass es zumindest ihm in seinem laden schmeckt. Auf die frage nach der toilette antwortet er zeitsparend, indem er mit dem löffel, an dem noch ein rest pudding klebt, in die hinterräume der küche zeigt. Etwas verunsichert betrete ich also den küchenbereich. Anscheinend muss jeder gast, der die toilette benutzen will, durch die küche gehen. Jetzt bin ich froh, dass ich eine pizza aus dem backofen und keinen salat oder pudding bestellt habe. In der toilette stehen vorm waschbecken kulturtaschen. Ich riskiere einen blick. Schmink-utensilien. Das bad wird also auch noch privat genutzt. Wäre ich gemein, würde ich jetzt mit einer fremden zahnbürste unter dem toilettenrand sauber machen und diese danach wieder in die kulturtasche liegen. Zum glück mache ich so etwas nicht. Soll aber solche leute geben. Wo bin ich hier bloß gelandet. Zurück vorm fernseher sitzt jetzt der ältere grauhaarige typ neben mir, der mir in der nächsten stunde noch mehrere sambuca ausgeben wird. Wir reden ein bißchen über fußball, gucken uns das spiel an, trinken bier und sambuca und werden langsam aber sicher immer betrunkener. Höchste zeit, dass die pizza endlich kommt. Als sie vor mir steht, ist sie geschmacklich eine enttäuschung. Wundert mich jetzt aber schon nicht mehr. Mittlerweile steht eine ganze flasche sambuca vor dem alten, aus der dieser großzügig einschenkt. Langsam bekomme ich angst, will aber auch nicht unhöflich sein. Schließlich gewinnt Dortmund 2:1 und ich sehe zu, dass ich aus diesem laden rauskomme. Mit letzter kraft, schwerer zunge, glasigem blick begleiche ich meine rechnung und torkele nach hause. Diesen laden werde ich so schnell nicht wieder betreten.

Montag, 21. Oktober 2013

unruhe im hörsaal

Montagmorgen, 8 uhr. Ich sitze in einem vorlesungssaal. Relativ groß. Vielleicht 500 sitzplätze. Knapp die hälfte der plätze sind besetzt. Sieht eigentlich noch genauso aus wie zu meinen studienzeiten. Verschlafene studenten, überwiegend mit collegeblock und kugelschreibern unterwegs, wenige laptops. Vorne steht eine vergleichsweise junge professorin, mitte vierzig, halblange haare, strickjacke und jeans und versucht sich beliebt zu machen. Erzählt locker, flockig von ihrem werdegang und dass sie eigentlich nur aus versehen professorin geworden ist. Weil damals keine passende lehrerstelle für sie frei gewesen sei. u.a. aufgrund ihrer fächerkombination. Schön tief stapeln, denke ich; damit macht man sich beliebt. Die jungen grünschnäbel vor mir glauben ihr diesen quatsch vielleicht noch. Ich nicht mehr. Wer einmal erlebt hat, wie viel arbeit in einer promotion und anschließenden habilitation steckt, der weiß, dass keiner aus versehen auf einem uni-lehrstuhl landet. Selbst nach abschluß der habil-schrift muss man noch unzählige hände schütteln, förderern in den arsch kriechen und sich auch sonst lieb kind machen, dass man in so einem fall eines beruflichen karrieresprungs nicht von einer verlegenheitslösung sprechen kann. Eigentlich muss man sich, um einen ruf auf eine professorenstelle zu bekommen, permanent in einer badewanne voller gleitgel wälzen, damit auch alles gut flutscht. Also der professoren-anwärter gut rein- oder durchrutscht.
Einige ganz besonders naive im saal haben dann auch ein leuchten in den augen und träumen davon, vielleicht selbst mal als professor vor studenten zu stehen. Kommt mir jedenfalls so vor. Liebe leute, ganz direkt gesagt: vergesst es. Obwohl es jetzt schon 8.20 uhr ist, kommen vereinzelt immer noch verspätete studenten in den saal. Ich gähne und langeweile mich. Um halb neun hat eine blonde, langbeinige studentin ihren auftritt. selbstbewusst stolziert sie mit hochhackigen schuhen, ganz gemächlich, die stufen hoch und setzt sich zu ihrer winkenden freundin. dann beginnt sie mit dieser ein gespräch in zimmerlautstärke. Sie hat ihre haare um den kopf geflochten. wie diese frühere ukrainische ministerpräsidentin julija tymoschenko. Das hat bestimmt lange gedauert, bis die haare so geflochten waren, denke ich. Sie hört nicht auf, sich zu unterhalten.
Ich möchte aufstehen und sie zurechtweisen. „beim nächsten mal kommst du blöde kuh bitte mit einem zeitsparenden pferdeschwanz pünktlich zur vorlesung und stillst dein redebedürfnis vor der veranstaltung“, brülle ich gedanklich in den raum.
dann fällt mir ein, dass es mir ja eigentlich egal sein kann. Dies ist gar nicht meine vorlesung. Was dort vorne gequatscht wird, interessiert mich überhaupt nicht. Ich sitze hier nur, um für eine freundin die anwesenheitsliste (mit ihrem namen) zu unterschreiben. Diese hat zeitgleich eine andere veranstaltung, will aber den kurs, in welchem ich sitze, trotzdem unbedingt belegen. Und ich war so blöd, ihr anzubieten, das für sie zu übernehmen. An einem montagmorgen.
Schließlich kommt die anwesenheitsliste zu mir; gekonnt kritzle ich den fremden namen aufs papier, denke dabei an urkundenfälschung, reiche den zettel weiter und nehme meine jacke, um den saal zu verlassen. Meine banknachbarn müssen aufstehen, damit ich an ihnen vorbeigehen kann. Das ist mit einiger unruhe verbunden. Ich ernte böse blicke. Schuldbewusst und mit eingezogenen schultern steige ich die zum ausgang führenden stufen herab. Dank meiner glatten sohlen rutsche ich beinahe aus, kann mich aber noch an der hörsaalwand abfangen. Ein unterdrücktes gekicher und glucksen geht durch den saal. Die professorin vorne am pult hält in ihrem redefluß inne und sieht mich fragend an. „falsche vorlesung“ sage ich halblaut in ihre richtung und stürze mit hochrotem kopf aus der veranstaltung. Jetzt habe ich die vorlesung wohl noch mehr gestört als die tymoschenko-frisur, denke ich. Und nehme mir vor, in zukunft anderen keinen gefallen mehr zu tun.

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